Zwangsversteigerung – Chance oder Risiko?

6.200 Häuser kamen in Deutschland im ersten Halbjahr 2022 unter den Hammer – Tendenz steigend. Vor dem Hintergrund einer schwächelnden Konjunktur, steigenden Inflation und sinkenden Kaufkraft wächst die Anzahl der Privatinsolvenzen und zugleich derer, die hoffen, bei einer Zwangsversteigerung ein Schnäppchen machen zu können. Doch die Rechnung geht nicht immer auf. Welche Risiken gibt es und was gilt es rechtlich zu beachten?

Damit das Schnäppchen nicht zur Kostenfalle wird.

Die Katze im Sack: Das größte Risiko beim Kauf einer Immobilie in einer Zwangsversteigerung sind oftmals fehlende Informationen: So enthält die Versteigerungsakte, die Sie beim zuständigen Amtsgericht einsehen können, zwar neben anderen wichtigen Unterlagen wie Grundbuchauszug und Baulastenverzeichnis auch ein Verkehrswertgutachten. Dieses ist jedoch nur begrenzt aussagefähig, wenn der insolvente Eigentümer eine Besichtigung der Innenräume verweigert. Nicht selten kommt es vor, dass selbst der Gutachter die Immobilie nur von außen ansehen kann. So ist der neue Eigentümer vor Überraschungen wie Feuchtigkeitsschäden oder anderen Baumängeln nicht gefeit und kann nicht einschätzen, welche Sanierungskosten auf ihn zukommen.

Fehlende Unterlagen: Zuweilen fehlen auch Unterlagen wie Baupläne oder gar (weiterhin gültige) Mietverträge, weil der bisherige Eigentümer sie verloren hat oder nicht herausgibt. Dazu ist er ebenso wenig verpflichtet wie zur Angabe von Schäden oder Altlasten im Gebäude oder auf dem Grundstück. Für den neuen Besitzer kann das vermeintliche Schnäppchen also zur Kostenfalle werden, zumal er kein Recht auf Rückgabe oder Widerruf hat. Auch eine Mängelhaftung ist ausgeschlossen.

Etwaige Zwangsräumung: Arbeitslosigkeit, Krankheit, Scheidung – viele Menschen, die durch eine Zwangsversteigerung ihr Zuhause verlieren (meist weil sie den Bankkredit nicht mehr bedienen können), haben schwere Zeiten durchlebt. Es kommt vor, dass sie sich weigern, auszuziehen. In diesem Falle entstehen bei einer Zwangsräumung zusätzliche Kosten. Ist das erworbene Objekt vermietet, räumt das Gesetz nach Paragraph 57a ZVG dem Käufer für kurze Zeit bei Eigenbedarf ein Sonderkündigungsrecht ein. Lassen Sie sich hierzu von einem Fachanwalt beraten!

Die Finanzierung klären: Bei Zwangsversteigerungen gibt es einige Besonderheiten. Der Gläubiger, meist die Bank, fordert vom erfolgreichen Bieter eine Sicherheitsleistung von zehn Prozent des Kaufpreises, die sofort fällig ist. Das Amtsgericht verlangt ein Prozent des KP plus Zinsen für die Zeit zwischen Zuschlag und Bezahlung der gesamten Immobilie. Notar- oder Maklergebühren fallen nicht an. Wie beim regulären Kauf entstehen jedoch Kosten für den Eintrag ins Grundbuch und die Grunderwerbsteuer.

Im Eifer des Gefechts: Bewahren Sie beim Bieterwettstreit einen kühlen Kopf und halten Sie an Ihrer zuvor festgelegten Obergrenze fest. Ansonsten laufen Sie Gefahr, mehr zu bezahlen, als die Immobilie wert ist. Doch selbst wenn es keine weiteren Interessenten gibt, können Sie nicht darauf bauen, die Immobilie für einen Spottpreis zu erwerben. Denn das Gericht muss Höchstgebote unter 50 Prozent ablehnen. Liegt das höchste Gebot bei weniger als 70 Prozent des Verkehrswerts, kann der Gläubiger einen zweiten Verhandlungstermin beantragen. Beim zweiten Versteigerungstermin gelten diese Hürden nicht mehr, doch darauf spekuliert eventuell auch die Konkurrenz.

Viele Bieter – hoher Preis.

Hohe Nachfrage: Laut Axel Mohr vom Zwangsversteigerungs-Dienstleister Argetra sind zwangsweise versteigerte Immobilien günstiger als solche auf dem freien Markt. „Dies ist jedoch von Region zu Region sehr unterschiedlich“, relativiert der Experte. Vor allem in Metropolen wie Berlin, Frankfurt am Main, München oder Stuttgart ist die Nachfrage groß. In München beteiligen sich laut Rechtspflegerin Mirja Kapfer doppelt so viele Interessenten an Zwangsversteigerungen wie noch vor fünf Jahren. Den Beobachtern zufolge finden wirklich attraktive Immobilien oft auch bei Zwangsversteigerungen einen Käufer, der bereit ist, einen marktüblichen Preis zu zahlen.

Quellen: capital.de, homeday.de, sueddeutsche.de, focus.de, ratgeber-immowelt.de, kgk-kanzlei.de

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